Ein Besuch in Florenz und gleich bei David vorbeigeschaut.

Muss man David im Original sehen?

Das habe ich mich gefragt, als ich trotz Prioritiy Ticket im strömenden Regen zwei Stunden in der Schlange vor der Galleria dell’Accademia stand. Es war ein spontaner, etwas unüberlegter Florenz-Besuch, da ich eigentlich lieber die kleineren Orte, wie Lucca und Pietrasanta der Toskana mag. Genauso liebe ich die kleinen Ateliers in Carrara und Umgebung, wo früher noch die Kopisten das alte Handwerk ausübten und u.a. Kirchenfiguren aus Marmor fertigten. Modelle aus der Zeit sind manchmal noch in den Ateliers zu sehen und jedes Mal, wenn ich solch einen Raum betrete, bin ich verzaubert. 

Heute arbeiten die Künstler und Handwerker mit Maschinen oder 3D Druckern, selten noch nach alter Tradition mit Eisenfäustel und Meißel. Niemand nimmt sich mehr die Zeit, etwas zu erschaffen. Auch in der Kunst ist der Zeitdruck, das Inflationäre angekommen und ich finde, man spürt den Unterschied. Es ist eine Energie, die Energie des Künstlers, die durch die ganzen Maschinen und den Zeitdruck verloren geht.

Als Erstes hat mich beim Ankommen in Florenz der Touristenstrom überfordert, kein Vergleich von vor 20 Jahren, wo es in der Hochsaison nicht so unfassbar voll war. In der Nebensaison konnte man noch schlendern. Heute gibt es keine Nebensaison mehr, habe ich mir sagen lassen.  

Und dann stand ich doch klatschnass vor ihm:

David!

Was soll ich sagen: Beeindruckend, wie unbeeindruckt er vor mir stand.  Michelangelos Darstellung zeigt keinen Kampf gegen den Riesen Goliath oder einen Sieg, so wie es früher üblich war. Es ist der Moment davor.
Und trotzdem: Vor mir stand ein jugendlicher und recht entspannter David. Er wirkt siegessicher, unmittelbar vor seinem bevorstehenden Kampf. In der rechten Hand hält er einen Stein, auf der linken Schulter liegt die Steinschleuder. Die Anspannung des jungen Schafhirten wird nur durch kleine Nuancen, wie hervortretende Venen, angespannte Muskeln oder den Ausdruck in den Augen dargestellt.  

Nachdem bekannte Bildhauer Agostino Duccio, 1464 und Antonio Rossellino 12 Jahre später erfolglos versucht hatten den Stein zu behauen und er auch dabei beschädigt oder teilweise bearbeitet wurde, lagerte er eine Zeit lang vor sich hin.
1501 – nach einigem Hin und Her, beauftragte der Florentiner Dom den 26-jährigen Michelangelo offiziell mit diesem Projekt und erregte solch ein großes Interesse, dass sich der Künstler abschotten musste, um die Skulptur zu schaffen. 

Michelangelo brauchte für den Höhepunkt seiner Bildhauerkunst  weniger als 3 Jahre, um David zu schaffen und wurde im Mai 1504 damit fertig. Er schuf mit David  eine Ikone der Renaissance.

Aber auch der Marmorblock, aus dem David entstand, ist ein ganz Besonderer. Dieser ist aus einem Stück, aus dem wertvollsten, fast ganz weißen Carrara-Marmor. Der Steinbrocken war über 5 Meter hoch und fast 6 Tonnen schwer. Man bedenkt, früher gab es keine LKWs oder Kräne, um solch einen schweren Steinblock unbeschadet und gut transportieren zu können. Daher dauerte die Reise von Carrara nach Florenz fast 2 Jahre. 

Seit 1910 wurde David, der sich bis dahin im Freien auf der Piazza della Signoria befand, in die Galleria dell’Accademia gebracht um seinen Verfall zu verhindern.